REPRODUKTION Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit

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Beschreibung:

 

„Die innere Aura“

 

Das Tongefäß ist eines der ältesten Gebrauchsgegenstände der Menschheit. Es diente als Lagerraum, Transportmittel, Koch und Essgeschirr. Herausgehoben aus dem profanen Alltagsgebrauch, wurde es zum Stilmittel von Herrschaftsanspruch und zum kultischen Gegenstand. Das Gefäß wird zur Trägerin von Informationen, der profane Gebrauchsgegenstand wird mit symbolischen Botschaften aufgeladen. Diese überhöhte Funktion, ist dabei direkt aus seiner Funktionalität abgeleitet. Das Gefäß gibt seinem Inhalt Form und Halt, Dingen die sonst keine feste Form haben würden, werden genieß- und weiterreichbar. Eine besondere Bedeutung in der jüdisch-christlichen Kultur haben die Gefäße des zylindrischen Bechers (calix, lat.) und die ausladende Schale (diskos, griech.). Sie umhüllen und tragen Wein und Brot. Im religiösen Kult werden diese Gegenstände vom Priester getragen, er lädt Wein und Brot spirituell auf („Lasst uns den Kelch des Heiles erheben“, Psalm 116,3) und reicht dieses Geheimnis an die anderen Gemeindemitglieder weiter. Die Produkte menschlicher Arbeit, werden der Profanität des Schweißes und der Mühsal ihrer Herstellung entrissen. Mittels des religiösen Kults werden sie spirituell aufgeladen und als spirituelle Gabe Gottes, die nur vermittels des Priesters und seiner stilisierten Kultgegenstände erzielt werden kann, an die ursprünglichen Produzenten zurückgereicht. Den massenhaft hergestellten Lebensgrundlagen der Menschen – Wein, Brot und ihren Gefäßen – wird, um es in den Worten Benjamins zu ausdrücken eine Aura aufgeladen. Die Originalität des Kultgegenstandes ist, so Benjamin, aber nur gewährleistet, wenn es das Ritual der Fertigung in sich trägt. Die Keramik jedoch lebt von der massenweisen Reproduktion von einer einzigen Form, etwa des Trinkgefäßes. Bereits frühzeitig wurde die Keramik-Produktion immer stärker mechanisiert, und mit Hilfe von Formen wurden billige herzustellende Vervielfältigungen hergestellt. Die arbeitsteilige Organisation der Manufakturen und Fabriken brachte es mit sich, dass sich die einzelnen Keramiker und Keramikerinnen auf bestimmte Arbeitsschritte spezialisierten. In der Massenproduktion schafft niemand ein Stück vom Anfang bis zum Ende. Die Reproduktionstechnik, so ließe sich allgemeinen formulieren, löst das Reproduzierte aus dem Bereich der Tradition ab. Indem sie die Reproduktion vervielfältigt, setzt sie an die Stelle seines einmaligen Vorkommens ein massenweises. Die Aura und die Autorität eines schöpferischen Werkes weichen der massenhaften Produktion eines profanen Alltagsgenstandes.“(Benjamin, 1996, S.13) Hier setzt meine aktuelle Arbeit an, indem ich dem Schöpfungsprozess seine Originalität zurückgebe. Die Negativform, die Mutterform aus der normalerweise massenweise identische Klone des Alltagsgebrauches gewonnen werden, mache ich zur Positivform, also zum Zweck an sich. Als Ausgangsform wähle ich dabei den Zylinder, die Grundform des Kelches, also jenes Gefäßes, das einem zentralen Kultgegenstandes unseres Kulturkreises entspricht. Im Prozess der Reproduktion transformiere ich das Gefäß zu einem Objekt, das keine Öffnung mehr hat. Es verliert die Gefäßhaftigkeit, denn ein Gefäß ohne Öffnung ist nicht funktional. Auf mehreren Eben, werden trotz der Reproduktionsfähigkeit der Form, wieder individuelle Kunstgegenstände, Unikate, geschaffen. Assoziationen der Betrachter werden wieder möglich. Ein möglicher Zugang ist dieser: Der unbegreifbare und uneinsichtbare Innenbereich wird ein sakraler Ort par excellence. Er benötigt keinen spirituellen Inhalt und keine Vermittlung des Priesters. Als Ergebnis meiner Arbeit sehe ich als eine Form von Störung kollektiver Ästhetik. Der gewohnte Arbeitsprozess und seine uns massenhaft umgebenden Produkte wird unterbrochen, irritiert. Der Arbeitsprozess an sich ist das zentrale der Arbeit, die Wiederherstellung der Aura wird prozesshaft in den einzelnen Arbeitsschritten einsichtbar und beeinspruchbar. Literatur: Benjamin, Walter. Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit. Suhrkamp Taschenbuch Verlag , Frankfurt am Main 1977

 

Jahr: 2017

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